Kurt Köhlers 1934 erschienener Roman "Vademecum für den jungen Selbstmörder" ist sicherlich einer der herausragendsten Texte der belgischen Moderne und wird hier zum ersten Mal in deutscher Übersetzung (Andreas Lampert, Den Haag) veröffentlicht. Ein Text, der die brennenden, lodernden 1920er Jahre in moderner Sprache aufleben lässt. Es ist die Geschichte der jungen Verkäuferin Magda ("Jungfrau und Ladendame") und ihrer Bohemien-Freunde Henk: ("Durchschnittsmensch und Boxmeister"), Nathan ("Kommunist und Jude") und Kwikkkwak ("Dichter und ewiger Narr").Köhler, mit bürgerlichem Namen Kurt Constant (Stan) Soetewey (und nicht zu verwechseln mit dem kommunistischen Widerstandskämpfer gleichen Namens), ersinnt eine schillernde, todtraurige, aberwitzige Großstadtwelt, die den Leser in einen avantgardistisch-komisch-spielerischen Text stößt. In der Tradition von Paul van Ostaijen spielt der Roman mit graphischen Elementen und spiegelt so die politische und ästhetische Offenheit wie auch O rientierungslosigkeit der Menschen und der Kunst in den Zwischenkriegsjahren wieder. Köhler ironisiert, legt bloß, spiegelt und überdenkt seine Zeit kritisch. Die harten ideologischen Erschütterungen jener Zeit ziehen ihre Risse auch hinein in die Beziehungen der Hauptfiguren.Ein Roman, wie er vielleicht nur der hitzigen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entspringen konnte - und der durch die Bilder des Künstlers Andrey Klassen an Dichte und Eindringlichkeit gewinnt.
Kurt Köhler, Pseudonym von Constant (Stan) Soetewey (Antwerpen, 18. Februar 1907 - dort, 23. September 1945) war ein flämischer Schriftsteller und Dichter. Sein kleines, experimentelles Werk wurde rasch, aber nicht völlig vergessen und genießt bei einigen Kultstatus. Seine beiden expressionistischen Romane "Baltazar Krulls Herz singt Mondschein" (1933) und "Vademecum für den jungen Selbstmörder" (1934), hat über die Jahre hinweg immer eine begrenzte Fangemeinde gehabt.In seiner Jugend stellt sich Soetewey vehement gegen seinen Vater, einen traditionellen Bürgerlichen, der in den Augen des jungen Künstlers nichts Gutes bewirken konnte. Schließlich war der moderne Dichter fortschrittlich und antibürgerlich. Wie es sich für einen modernen Dichter gehört, sympathisiert Soetewey mit dem Sozialismus und dem Kommunismus, aber in der ersten Hälfte der 1930er Jahre verliert er den Glauben an das kommunistische Versprechen und das Ideal eines sozialistischen europäischen Völkerbundes auf. D ie Geschichte, die Köhler in seinen Texten erzählt, ist weitgehend seine eigene Geschichte: Er ist der enttäuschte Idealist, der nirgendwo Unterschlupf findet. Gleichzeitig handelt es sich um eine Geschichte, die auf viele ideologisch verunsicherte junge Menschen in den 1930er Jahren zutrifft. So setzt Köhler allmählich seine Hoffnungen auf den Solidarismus. Er wird Anhänger des Verdinaso und später, steht er ideologisch der Flämischen Nationalen Allianz von Staf de Clercq nahe. Er distanziert sich allerdings auch von der Ultrarechten, doch wird er 1945 für seine Beteiligung inhaftiert. Im Gefängnis erleidet er eine Blutvergiftung, an deren Folgen er 1945 verstirbt. Andrey Klassen (_ 1984 in Irkutsk) ist ein sibirischer Künstler, der in Hamburg lebt und arbeitet. Sein Werk zeichnet sich vor allem durch großformatige Tuschemalerei auf Papier aus mit traumartigen Szenen mit schattenhaften Wesen, Menschen, Hybridwesen, die zum Teil an Figuren der Popkultur, Filmikonen und Comicfiguren angelehnt sind. Er hat 2001-2004 an der Kunstschule in Irkutsk, Russland und 2005-2010 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Ralf Kerbach studiert. 2010-2012 war er an der Hochschule für Bildende Künste Dresden Meisterschüler bei Ralf Kerbach.Im Jahr 2015 wurde Klassen mit dem Marion-Ermer-Preis ausgezeichnet.Für Kurt Köhlers Buch wählte er die Technik der Tuchmalerei, die lose an die Darstellungstraditionen des Surrealismus anknüpft, mehr noch aber eine höchst pointierte, mitunter bitter ironische Deutung und Fortsetzung des expressionistischen Textes erreicht.
Autorenporträt schließen