Verlag | J.B. Metzler |
Auflage | 2005 |
Seiten | 272 |
Format | 11,5 x 19,0 x 1,9 cm |
Gewicht | 304 g |
Reihe | Sammlung Metzler 217 |
ISBN-10 | 3476152170 |
ISBN-13 | 9783476152176 |
Bestell-Nr | 47615217A |
Dieser Klassiker geht das Spannungsverhältnis zwischen Wirklichkeit, Autor und Text auf drei Ebenen an. Der Autor stellt drei Grundtypen der Literaturinterpretation vor: die produktionsästhetische Analyse, die Strukturanalyse und die rezeptionstheoretische Analyse.
Leseprobe:
Lektüre, Kritik, Interpretation sind Formen der Literaturaneignung, die in unterschiedlicher Weise, aber in untrennbarem Zusammenhang miteinander, die literarische Tätigkeit und die literaturwissenschaftliche Arbeit bestimmen. Ihre Erörterung zu Beginn dieser Einführung verfolgt den Zweck, den praktischen Stellenwert der Interpretation zu verdeutlichen, von deren Verwissenschaftlichung ich gesprochen habe. Dass dabei zugleich ein erster Umriss der »Institution Literatur« sichtbar wird, hängt mit der Tatsache zusammen, dass die einzelnen Formen und Stufen der literarischen Praxis nicht nur als individuelle, sinnproduzierende Handlungen begriffen werden dürfen, sondern in einen übergreifenden Funktionszusammenhang integriert sind. Die Lektüre literarischer Werke, die dem einzelnen Teilnehmer als ein »Dialog« zwischen Autor und Leser vorkommen mag oder auch als Selbstvergewisserung und Selbstgenuss, steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Entwicklung der Produktionsverhältni sse einer Gesellschaft und ist weitgehend abhängig von ideologischen Institutionen und ihren sozialen Trägern (Link/Link-Heer 1980, 192ff.). Auf die institutionellen Aspekte der literarischen Kommunikation will ich im Abschnitt 1.3 noch näher eingehen; hier kommt es mir zunächst darauf an, den historisch sich wandelnden Zusammenhang einer alltäglichen, in unserer Gesellschaft den meisten Menschen vertrauten und gewohnten Tätigkeit so zu entfalten, dass deren einzelne Stufen anschaulich werden. Beide Aspekte, der lebenspraktische und der institutionelle, sind dabei gleich wichtig.
Man hat sich seit den 1980er Jahren daran gewöhnt, für die hier gemeinten institutionellen Gegebenheiten und praktischen Tätigkeiten der literarischen Kommunikation den Begriff »Diskurs« zu verwenden. Diskursanalyse, die seit den 1960er Jahren vor allem in Frankreich entwickelt wurde (Michel Foucault u.a.), ist die Untersuchung »regelbestimmter Sprachspiele« mit ihren Voraussetzungen und Folgen im jewe ils gegebenen institutionellen Zusammenhang. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf »die 8 Materialität sowie die Macht- und Subjekteffekte von historisch spezifischen Aussageformationen« (Nünning 2004, 32f.). Der Nachdruck liegt also auf der wirklichkeitskonstitutiven Funktion der Rede: Wieweit erzeugt, befestigt oder verändert sie das zwischen den Kommunikationspartnern bestehende Gefüge von Herrschaft und Unterordnung? Wie werden soziale Gegebenheiten wie etwa »Wahnsinn«, »Normalität« oder »literarische Kompetenz« durch die Rede hervorgebracht? Wie erzeugt die literarische Kommunikation das sie tragende Subjekt, etwa den »Kritiker« oder den »Autor«?
Dabei versteht sich die Diskursanalyse als eine kritisch-dekonstruierende Form der Aneignung, welche die Sinn-Zuweisungen durch das herrschende Bewusstsein strategisch unterläuft: Solche Lektüre ist ein kulturpolitischer Akt, der darauf abzielt, das Gefüge der Institutionen samt dem Kanon, auf dem diese aufruhen, zu erschütter n.