Verlag | Duncker & Humblot |
Auflage | 2022 |
Seiten | 150 |
Format | 16,9 x 1,2 x 23,4 cm |
Gewicht | 270 g |
Reihe | Zeitgeschichtliche Forschungen 62 |
ISBN-10 | 3428183703 |
ISBN-13 | 9783428183708 |
Bestell-Nr | 42818370A |
Je größer der zeitliche Abstand zu einer Epoche schwerer Krisen und schuldhafter Verstrickungen ist, desto schwerer fällt es, gewendet gegen die Kompaktheit der selbstsicheren moralischen Verurteilung, die Ambivalenzen des geschichtlichen Augenblicks transparent zu machen. Geisteswissenschaftliche Theoriearbeit nach 1933 spiegelte den Erwartungsdruck, dem kollektiven Wunschdenken nach einer Neuorientierung zu entsprechen. Der Autor fokussiert die Aufmerksamkeit auf theoretisch anspruchsvolle Texte der evangelischen Theologie. In genauen Analysen wird gezeigt, wie sich vertraute Denktraditionen mit der Aufgeschlossenheit für den autoritären Führerstaat vereinbaren ließen.
Das moralische Urteil über den Nationalsozialismus als System des gigantischen Verbrechens steht fest. Die Selbstverständlichkeit dieser Distanznahme und das Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber den früheren Generationen lassen die Energien schwinden, in gründlichen Detailstudien verständlich zu machen, wie die geistigen Konstellationen in einzelnen Fachgebieten aussahen, in denen eine Neuorientierung vom demokratischen Pluralismus hin zur Führer-Diktatur vorbereitet wurde. Diese Vorbereitung erfolgte auf dem zur damaligen Zeit höchsten Reflexionsniveau. Von einer Primitivität der Diskurse kann demnach gar keine Rede sein. Wie Heiliger Geist und Zeitgeist sich in dem Bemühen, Orientierung zu gewinnen und zu vermitteln, verschränkten, demonstriert der Autor an Texten aus dem Fachgebiet der evangelischen Theologie: Von der Führervollmacht Jesu zu der Führervollmacht Adolf Hitlers.
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung: 1933 - die Versuchung der Theologie
A. Paul Tillich: Auf der Grenze
B. Emanuel Hirsch: Nationalsozialistische Existenztheologie
C. Karl Heim: Der Wunsch nach Identifizierbarkeit des göttlichen Willens
D. Hans Michael Müller: Nachmetaphysische Theologie - nationalsozialistisch
E. Gerhard Kuhlmann: Aufhebung der Theologie
F. Erik Peterson: Der Kierkegaard-Impuls - Abschied vom Protestantismus
Nachwort: Andeutung einer theologischen Alternative
Rezension:
»Kodalles sehr gelehrte, beachtliche kleine Studie regt auf jeden Fall, auch interdisziplinär, sehr zum Nachdenken an.« Prof. Dr. Thomas Martin Schneider, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift, 2/2023
»The Temptation of Theology«: The greater the temporal interval to an epoch of severe crises and guilty entanglements, the more difficult it is to make transparent, turned against the compactness of self-assured moral condemnation, the ambivalences of the historical moment. The intellectual theoretical work after 1933 reflected the pressure of expectation to meet the collective wishful thinking for a reorientation. The author focuses attention on theoretically sophisticated texts of Protestant theology. In detailed analyses it is shown how familiar traditions of thought could be reconciled with the receptiveness for the authoritarian leader state.