Spektrum Spezial BMH 2/2025 - Partner Immunsystem - Wie moderne Medizin die Körperabwehr nutzt
Verlag | Spektrum der Wissenschaft |
Auflage | 2025 |
Umfang | 82 Seiten |
Format | 21,0 x 0,5 x 28,2 cm |
Gewicht | 220 g |
Artikeltyp | Sonstiges |
Reihe | Spektrum Spezial - Biologie, Medizin, Hirnforschung 2/2025 |
ISBN-10 | 3958929567 |
EAN | 9783958929562 |
Bestell-Nr | 95892956A |
Liebe Leserinnen und Leser, das derzeitige politische Geschehen macht nicht unbedingt den Eindruck, dass sich die Menschheit weiterentwickelt. Doch es gibt noch Bereiche, in denen objektiver Fortschritt stattfindet. Zu ihnen gehört die Medizin, in der sich gerade Umwälzendes abspielt - besonders auf dem Gebiet der Immuntherapien. Dass unsere Körperabwehr ein unverzichtbarer Partner ist, steht außer Frage: Ohne sie würden wir beinahe instantan an Krankheitserregern und Parasiten zugrunde gehen. Fachleute verstehen immer besser, wie sich die Abwehrtruppen des Körpers dirigieren lassen, um Tumorleiden zu bekämpfen, schwer verlaufende Infektionen zu vermeiden oder degenerativen Hirnerkrankungen entgegenzuwirken. Revolutionäre Ansätze ermöglichen es heute, gegen Krebs zu impfen, Immunzellen gezielt gegen Krankheitserreger scharfzuschalten oder rekordschnell zu Gegenmitteln zu kommen, wenn eine neue Seuche um sich greift. Im Jahr 2023 gab es für ein solches Verfahren den Nobelpreis: Die Immunologen Katalin Karikó und Drew Weissman bekamen ihn für ihre Beiträge zu mRNA-Impfstoffen, die Millionen Menschen das Leben gerettet haben. Geschehnisse wie diese zeigen, dass es gute Gründe gibt, zuversichtlich zu bleiben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre, Ihr Frank Schubert, Redaktion Spektrum der Wissenschaft.
Leseprobe:
Als das Nobelpreiskomitee am 9. Oktober 2024 verkündete, wer die höchste wissenschaftliche Auszeichnung für Chemie erhalten sollte, hatte wohl mancher eine Wette gewonnen: Der Preis ging an John Jumper und Demis Hassabis, die Entwickler der KI AlphaFold2, sowie den Proteindesigner David Baker. Die beiden ersten hatten einen Algorithmus geschaffen, der die Struktur von Proteinen vorhersagt, den Arbeitsmaschinen aller Organismen. Baker wiederum hatte ein Computerprogramm entwickelt, mit dessen Hilfe sich jedes gewünschte Protein gezielt herstellen lässt. Diese Durchbrüche sind so spektakulär, weil sie ein Problem lösten, das bis dahin quasi als unlösbar galt - die Beziehung zwischen der Struktur eines Proteins und der Abfolge seiner Aminosäuren zu entschlüsseln. Denn letztlich ist jedes Protein eine Kette aneinandergeknüpfter Aminosäuren, die sich zu einem einzigartigen dreidimensionalen Gebilde zusammenfaltet. Wie sich diese Maschinen in der Zelle bewegen, lässt sich dank ei ner raffinierten Methode des Physikers Stefan Hell mittlerweile in Echtzeit nachverfolgen. »Ångström-Präzision bei Raumtemperatur! Dass das funktioniert, hätte man nicht gedacht«, erzählte mir der Nobelpreisträger bei einem Besuch in seinem Labor. 2021 wurde AphaFold2 vorgestellt, heute sind fast alle bekannten Proteine samt ihrer Aminosäuresequenzen in einer öffentlich zugänglichen Datenbank hinterlegt. Ein wertvoller Schatz, besonders für die Arzneimittelforschung. Denn viele medizinische Wirkstoffe docken gezielt an bestimmte Proteine an, um deren Funktion zu verändern. Dazu muss das entsprechend Molekül genau in die Bindungsstelle des Zielproteins passen. Mit computergestützten Methoden können Fachleute heute vorab simulieren, ob das klappt. Künftig werden sich spezielle Medikamente sogar automatisiert und dezentral herstellen lassen. Geeignete chemischen Reaktionen zu finden, um das gewünschte Mittel zusammenzubauen, ist wiederum eine Wissenschaft für sich. Zunehmend nutzen F orschungsgruppen dazu unkonventionelle Ansätze, setzen etwa elektrochemische Methoden ein oder schicken sich an, die innere Ringstruktur von Wirkstoffmolekülen zu verändern. Das galt lange als nicht möglich - doch immer mehr Durchbrüche belegen das Gegenteil.