Verlag | Heyne |
Auflage | 1994 |
Seiten | 496 |
Format | 18,7 cm |
Gewicht | 404 g |
Reihe | Heyne Bücher 9114 |
ISBN-10 | 345307565X |
ISBN-13 | 9783453075658 |
Bestell-Nr | 45307565A |
"Ein Thriller, bei dem man den Atem anhält." Frankfurter Rundschau
In einer Oktobernacht werden zwei Richter des obersten Bundesgerichts der USA ermordet. Die Jurastudentin Darby Shaw legt eine Akte über den schlimmsten politischen Skandal seit Watergate an - ein tödliches Dokument für alle, die sie kennen. Eine erbarmungslose Jagd beginnt.
Leseprobe:
1 Kaum zu glauben, daß er noch imstande war, ein solches Chaos auszulösen. Aber vieles von dem, was er da unten sah, ging auf sein Konto. Und das war erfreulich. Er war einundneunzig, halb gelähmt, an einen Rollstuhl gefesselt und auf Sauerstoffzufuhr angewiesen. Sein zweiter Schlaganfall vor sieben Jahren hatte ihm beinahe den Rest gegeben. Dennoch war Richter Abraham Rosenberg nach wie vor am Leben, und selbst mit Schläuchen in der Nase führte er im Obersten Bundesgericht immer noch ein gewichtigeres Wort als seine acht Kollegen. Er war die einzige Legende, die dem Gericht geblieben war; und allein der Umstand, daß er immer noch atmete, brachte den größten Teil des Mobs da unten auf der Straße in Aufruhr. Er saß in seinem Rollstuhl in seinem Büro im Gebäude des Gerichts. Seine Füße berührten die Fensterkante, und er beugte sich vor, als der Lärm anschwoll. Er haßte Polizisten, aber zu sehen, wie sie in dichten, ordentlichen Reihen dastanden, war doch ein wenig beruhigend. Sie standen unerschütterlich da, während der Mob, mindestens fünfzigtausend Menschen, nach Blut schrie. »So viele waren es noch nie!« krächzte Rosenberg, ohne sich umzusehen. Er war fast taub. Jason Kline, sein ältester Mitarbeiter, stand hinter ihm. Der erste Montag im Oktober, der Eröffnungstag der neuen Sitzungsperiode, war zu einer traditionellen Feier des Ersten Verfassungszusatzes ausgeartet - einer grandiosen Feier. Rosenberg war begeistert. Für ihn war Redefreiheit gleichbedeutend mit Freiheit zu Demonstration und Aufruhr. »Sind die Indianer dabei?« fragte er laut. Jason Kline beugte sich zu seinem rechten Ohr. »Ja!« »In voller Kriegsbemalung?« »Ja! Mit allem, was dazugehört.« »Tanzen sie?« »Ja!« Die Indianer, die Schwarzen, Weißen, Braunen, Frauen, Schwulen, Naturschützer, Christen, Abtreibungsaktivisten, Arier, Nazis, Atheisten, Jäger, Tierfreunde, weiße Suprematisten, schwarze Suprematisten, Steuerverweigerer, Farmer - es war ein gewaltiges Meer des Protestes. Und die Einsa tzkommandos der Polizei umklammerten ihre schwarzen Stöcke. »Die Indianer sollten mich lieben!« »Das tun sie bestimmt.« Kline nickte und lächelte den gebrechlichen kleinen Mann mit den geballten Fäusten an. Seine Ideologie war simpel: die Regierung rangierte vor dem Geschäft, der Einzelne vor der Regierung und die Umwelt vor allem anderen. Und was die Indianer betraf -gebt ihnen, was immer sie haben wollen. Das Beten, Singen, Skandieren, Rufen und Schreien wurde lauter. Die Polizisten rückten näher zusammen. Der Mob war größer und wütender als in den voraufgegangenen Jahren. Die Atmosphäre war gespannter. Gewalt war an der Tagesordnung. Auf Abtreibungskliniken waren Bombenattentate verübt worden. Ärzte hatte man angegriffen und verprügelt. In Pensacola war einer umgebracht worden, geknebelt, in der Position eines Fötus zusammengeschnürt und mit Säure verätzt. Allwöchentlich kam es zu Straßenschlachten. Militante Schwule hatten Geistliche und Kirchen attackiert. Weiße Suprematisten hatten sich zu einem Dutzend bekannter, finsterer paramilitärischer Organisationen formiert und waren bei ihren Angriffen auf Schwarze, Lateinamerikaner und Asiaten wesentlich kühner geworden. Haß war Amerikas beliebtester Zeitvertreib. Und natürlich war das Gericht eine bequeme Zielscheibe. Drohungen, ernstzunehmende Drohungen gegen die Richter hatten sich seit 1990 verzehnfacht.